Das kurze Leben eines fröhlichen Kindes
Wernerstraße 62
Anita Rosemarie Henks kurzes Leben beginnt am 1. September 1938 in Ludwigsburg. Sie ist von Geburt an behindert und wird ihren fünften Geburtstag nicht mehr erleben. Sie stirbt am 22. Juni 1943 in der Heil- und Pflegeanstalt Kaufbeuren als Opfer der Krankenmordaktion der nationalsozialistischen Gewaltherrscher.
Anita ist ein hübsches, lebhaftes, anhängliches Kind, das auch herzhaft lachen kann. Sie ist fast blind; sie lernt erst spät gehen und macht dann gern tanzende Bewegungen und summt dazu. Sie sagt nur „Mama“, „Papa“ und „ja“ und sie muss gefüttert werden. Nach damaligem Sprachgebrauch wird ihr Verhalten als idiotisch bezeichnet.
Der „Reichsausschuss“ in Berlin ordnet an, dass Anita am 30. März 1943 in die Heil- und Pflegeanstalt Kaufbeuren aufgenommen wird. Sie wird in die „Kinderfachabteilung“ eingewiesen, was ihr Todesurteil ist.
Anitas Eltern fühlen sich ihrer Tochter im fernen Kaufbeuren verbunden. Auf ihre Anfragen, wie es Anita gehe, erhalten sie beruhigende Antworten. Dann am 21. Juni 1943 erhält Frau Henk für sie völlig überraschend folgendes Telegramm: „Anita Lungenentzündung schwer erkrankt.” Am Vormittag des nächsten Tages stirbt Anita.
Anitas Tod wurde, wie der vieler anderer Behinderter auch, absichtlich herbeigeführt. Die Verabreichung einer sehr hohen Dosis von Medikamenten, die lethargisch machen, führte dazu, dass ihre Lunge verschleimte und sie in der Folge an einer nicht behandelten Lungenentzündung starb.
Andreas Nothardt
Zum Schicksal von Anita Henk sind ergänzende biografische Angaben erschienen in der Veröffentlichung von
Christian Hofmann
Kinder – „Euthanasie“ und das Gesundheitsamt Ludwigsburg
Opferschicksale aus Ludwigsburg geben Einblicke in die Bürokratie der Vernichtung im Nationalsozialismus
Ludwigsburger Geschichtsblätter Band 75/2021
Seite 140-173
Darin enthalten: Einzelschicksale aus Ludwigsburg
Erna Wolf – Hans Mayer – Anita Henk –
Margarete Michelfelder – Charlotte Schörg