Lina Peukert

Die Familie gab ihr lange Halt

Mörikestr. 2

Lina Peukert, geborene Bauer, wurde am 1. November 1887 in Neuenhaus geboren. Neuenhaus ist seit einer Gemeindereform von 1975 ein Stadtteil von Aichtal und liegt im Landkreis Esslingen. In den meisten Akten und Ämtern wird sie offiziell mit dem kurzen Namen Lina geführt. Ihr voller Name ist allerdings Karoline Friederike Peukert.

Sie war das jüngste von 12 Kindern der Familie. 5 Kindern sind schon „klein“ gestorben. Ihre Eltern waren Marie Katharine, geborene Schlecht und Ernst Ludwig Bauer. Von Beruf war er Wirt. Nachdem sie 14 Jahre alt war, arbeitete Lina Peukert in der Wirtsfamilie. Sie war wohl sehr fleißig und arbeitete viel und gut. Auch in der Schule zuvor sei sie fleißig und eine gute Schülerin gewesen. Bis zu ihrer psychischen Erkrankung 1935 war sie nach eigener und den Angaben ihrer Tochter Emilie beim Aufnahmegespräch in Weinsberg gesund, robust und hatte nur selten mal Erkrankungen (grippale Infekte…). Allerdings hatte sie 1933 eine Einweisung ins Ludwigsburger Krankenhaus aufgrund einer Basedow´sche Erkrankung mit starkem Gewichtsverlust (Autoimmunerkrankung der Schilddrüse). Zudem hatte ihr auch schon 1932 Herr Dr. Welsch vom Bezirkskrankenhaus Ludwigsburg bescheinigt, dass sie eine akute Nervenschwäche hätte und deshalb keiner Arbeit nachgehen könne.

Lina heiratete am 14. Januar 1913 den Friseur Adolf Peukert. Bereits vor der Hochzeit am 11. Dezember 1912 bekamen sie ihre gemeinsame Tochter Emilie. Lina brachte allerdings ein Kind schon mit in die Beziehung mit Adolf. Der Vater dieses Kindes ist mir unbekannt. Emilie hatte also eine ältere Halbschwester die wie ihre Mutter Lina hieß. Auch hier wir in den meisten Akten dieser Kurzname behördlich geführt. Der vollständige Name ist eigentlich Georgine Karoline. Sie wurde am 19. Mai 1911 geboren.

Linas Mann Adolf kam aus Reichenberg, dem heutigen Liberec in Nordböhmen und wurde am 11. Dezember 1893 geboren. Die Stadt gehörte nach dem 1. Weltkrieg zur Tschechoslowakei. Durch den Friedensvertrag von Trianon vom 4. Juni 1920 akzeptierte die vormalige Realunion und Doppelmonarchie Ostereich-Ungarn diesen Gebietsverlust nach dem verlorenen Krieg endgültig. Adolf Peukert wurde tschechoslowakischer Staatsbürger. Durch die Ehe war nun auch Lina Peukert keine deutsche Staatsbürgerin mehr und zumindest auch ihre Tochter Emilie bekam die tschechoslowakische Staatsbürgerschaft. Von Emilies Halbschwester ist mir die Staatsbürgerschaft in dieser Zeit nicht bekannt.

Der 1. Weltkrieg brachte sehr viel Unglück in das Leben der Familie und diese Erfahrungen wurden als Hauptursache für die spätere psychische Erkrankung von Lina angenommen. 1 Schwester von ihr ist 39 jährig in den Kriegsjahren 1914 – 1918 an Unterernährung und Erschöpfung gestorben. Ihr Mann musste in den Krieg. Er kam wohl 1916 in russischer Kriegsgefangenschaft und kam erst 1919 zurück. Bereits 1912 ist die Familie wohl zunächst nach Osweil gezogen und 1917 dann nach Ludwigsburg. Der Grund für den Wegzug aus Neuenhaus ist mir unbekannt. In den Kriegsjahren war Lina alleine mit den 2 Kindern auf staatliche Unterstützung angewiesen. Das änderte sich in den Folgejahren dann bei Lina auch nicht mehr.

Vor dem 1. Weltkrieg sei die Ehe von Lina und Adolf gut gewesen. Ihr Mann verkraftete aber sein erlebtes Leid nicht. Er sei nach seiner Rückkehr 1919 nun nervös gewesen, behandelte seine Familie schlecht, beschimpfte diese oft und sorgte nicht für sie. Er konnte offensichtlich auch keiner regelmäßigen Arbeit mehr nachgehen. In Ludwigsburg hatte er immer wieder nur ganz kurze Anstellungen. Unter anderem beim städtischen Tiefbauamt oder aber auch mal 3 Wochen bei der Buchhandlung Aigner. Er war arbeitslos und verließ die Familie endgültig am 16. Januar 1926. Nun ging Adolf in mehrere Länder (u.a.Österreich, Schweiz, Italien). 1928 wurde die Ehe geschieden. Der Mann bekam sein Leben nicht mehr in den Griff, er starb 1929 „abgestürzt“.

Die Peukerts wohnten in Ludwigsburg in unterschiedlichen Mietwohnungen. Zuerst in der Bärenstraße 5, anschließend in der Lindenstraße 36 und danach in der Talstraße 24. Am 17. April 1923 zog man dann in die Mörikestraße 2 in ein großes Mietshaus. Die Wohnung lag später dann in der Nähe der Arbeitsstätte der Tochter Emilie und man zog deshalb auch nicht mehr um. Diese war Kontoristin / kaufmännische Angestellte. 1927 arbeitete Emilie zunächst bei der Wilhelm Bleyle oHG, allerdings in Stuttgart und nicht in der Ludwigsburger Zweigstätte. Ihr anschließender Arbeitgeber war dann die Metallwarenfabrik Wagner & Keller in Ludwigsburg.

1935 erkrankte Lina Peukert. Ihre älteste Tochter war zu diesem Zeitpunkt bereits verheiratet, lebte in Frankfurt am Main und hieß nun Karoline Glasbrenner. Mit ihrem Ehemann Albert bekam sie am 30. Juli 1933 eine Tochter.

Lina Peukert hatte Angstzustände, war selbstmordgefährdet und wurde daran gehindert, sich von einem Zug überfahren zu lassen. Zunächst war sie im Ludwigsburger Krankenhaus. Dort lief sie davon und war dann wieder zuhause. Sie schlief vor Angst nur im Bett ihrer Tochter Emilie und war auch mal bei Bekannten untergebracht. In ihrer Angst suchte sie auch Kontakt zu Emilie während derer Arbeitszeit. Emilie ging mit ihr dann zur Aufnahme nach Weinsberg. Für die Tochter war die Situation belastend. Ihrer Mutter ging es sehr schlecht und ihr Arbeitgeber verlangte keine Störungen während ihrer Arbeitszeit.

In der Heilanstalt Weinsberg wurde sie am 25. Februar 1935 eingewiesen. Der Hausarzt Dr. med. M. Grubel befürwortete mit Schreiben vom 24. Februar 1935 die Aufnahme in einer Heilanstalt aufgrund „Selbstmordgedanken“ und „Irresein“. Lina Peukert wollte das eigentlich nicht. Sie unterschrieb mit vielem Zureden die Einweisung. In den nächsten Jahren war sie immer wieder auch von Heimweh geplagt und wollte wieder nach Hause. Lina Peukert hatte blaue Augen, braune Haare, war 1,57 m groß und wog bei der Einweisung 54 Kg. Bei ihrer Entlassung aus Weinsberg 1939 wog sie 8 kg mehr und hatte inzwischen auch eine Brille.

Lina Peukert bekam Schizophrenie diagnostiziert. In den nächsten Jahren hörte sie immer wieder Stimmen, hatte Wahnvorstellungen, fühlte sich verfolgt und hatte dadurch auch an Angstzuständen gelitten. Sie war oftmals unruhig und gereizt und hatte Aggressionen in den Weinsberger Jahren. Phasenweise zog sie sich auch zurück und kam nicht aus dem Bett. In Weinsberg hatte sie häufig über das Essen geschimpft. In guten Phasen hatte sie sich in Weinsberg aber auch an der Hausarbeit beteiligt. Lina Peukert beschäftigte sich dort zudem gerne mit Handarbeiten und fühlte sich im Garten wohl. In schlechten Momenten haute sie durch diesen mehrmals ab und wurde im Ort verwirrt gefunden.

Insgesamt hat sich ihr Zustand in Weinsberg leider nicht verbessert.

Am meisten Freude bereitete ihr der Kontakt zu den Angehörigen. Vor allem ihre Tochter Emilie kümmerte sich sehr fürsorglich um sie. Ihr Handeln hatte Emilie zudem, um das Wohl ihrer Mutter, häufig mit der Anstaltsleitung abgeglichen. So fragte sie in vielen Postkarten, ob es gut ist, wenn sie ihre Mutter besuchen kommt oder ob es ihrer Mutter nicht schadet, wenn sie ihr jede Woche Briefe schreibt. Die Verantwortlichen von Weinsberg zeigten sich dabei immer sehr kooperativ und genehmigten auch Besuche außerhalb der Besuchszeiten. Für Linas Lebensqualität war wohl der Kontakt zu den Angehörigen am wichtigsten und bot ihr am meisten Halt.

Sie selbst schrieb deshalb auch viele Briefe. Manchmal hatten diese verwirrte Inhalte. Immer wieder äußerte sie in diesen Briefen den Wunsch, dass man sie doch bitte aus der Einrichtung nehme, weil sie doch grundlos hier sein müsse. Dies hatte dann mehrmals besorgte Briefe von Angehörigen an die Leitung zu folge. Verständnisvoll erklärte diese dann zum Beispiel einer Schwägerin aus Neuenhaus oder auch der älteren Tochter in Frankfurt, dass man Lina keineswegs mit gutem Gewissen in die Obhut von Verwandten entlassen könne. Ihre Tochter Lina Glasbrenner in Frankfurt verhandelte sogar auch Anfang 1937 mit dem Ludwigsburger Fürsorgeamt. Für eine Reichsmark täglich könnte sie in ihrer Frankfurter Wohnung sich um ihre Mutter kümmern. Da die Unterbringung in Weinsberg fast das Dreifache kostete, hatte das Fürsorgeamt auch nichts dagegen. Allerdings die Heilanstalt Weinsberg. Diese argumentierte, dass dies nicht zu verantworten sei und Lina Peukert blieb dann dort. Lina Glasbrenner wollte damit gut gemeint dem Wunsch ihrer Mutter nachkommen. Zudem war sie aus der Ferne sicherlich auch besorgt. Ihre Halbschwester Emilie, bisher engster Kontakt der Mutter, war nämlich zu diesem Zeitpunkt nicht mehr in Deutschland..

Sicherlich nicht einfach für Lina Peukert war nämlich, dass Emilie heiratete und nach New York zog. Aus Fräulein Emilie Peukert wurde Mrs. Emily Jordan. Bis zum Wegzug war die jüngere Tochter die wichtigste Bezugsperson, welche sich am meisten um Lina kümmerte und sie am häufigsten besuchte. Nun hatten die beiden nur noch Briefkontakt und die Post aus Ludwigsburg kam sicherlich vor dem Umzug auch bedeutet schneller als aus Übersee. Vielleicht wurden auch deshalb ungefähr ab dieser Zeit Linas gute Zeiten immer weniger. Emily hatte den in Dublin am 16. Juni 1904 geborenen deutschen Staatsbürger Friedrich Jordan geheiratet. Erst über Calw und dann in Spaichingen wohnend, zog er am 29. Oktober 1936 mit in die Ludwigsburger Wohnung in der Mörikestraße 2. Am 3. Dezember 1936 war Hochzeit und am 31. Dezember 1936 zog der 8 Jahre ältere Notariatspraktikant mit seiner frisch vermählten Ehefrau nach New York.

In den Weinsberger Jahren zeigte sich der Nazi-Terror bei den Peukerts in unterschiedlichen Facetten. Bereits seit 1934 bemühte sich Emilie Peukert um die deutsche Staatsbürgerschaft. 1935 wurde ihr diese und ihrer Mutter verwehrt. Oberamtsarzt Holzapfel stellte einen negativen Befund aufgrund der psychiatrischen Behandlung von Lina Peukert aus. Der Nazi-Staat befürchtete den Einfall von erbkranken Menschen in den deutschen Volkskörper. Fassungslos schilderte Emilie Peukert in einem Brief an die Weinsberger Leitung die Ablehnung ihres Antrags durch den Nazi-Staat. Was könne den ihre Mutter und sie dafür, dass der erste Weltkrieg so viel Unglück über sie erbrachte. Dies habe doch ihre Mutter krank gemacht und sie selbst sei es ja überhaupt nicht. Zudem sei sie und ihre Mutter noch nie in der Tschechoslowakei gewesen. Sie könnten auch die Sprache nicht.

Zudem machte Nazi-Deutschland eine vertragliche Vereinbarung am 8. Februar 1936 mit der Tschechoslowakei. Tschechoslowakische Staatsbürger/innen müssten, wenn eine dauerhafte Anstaltsbehandlung zu erwarten sei, ausgewiesen werden. 1937 wies das Städtische Fürsorgeamt Ludwigsburg darauf hin, dass diese Regelung für Menschen mit körperlichen und geistigen Gebrechen gelte. Eine Ausnahme könne aber gemacht werden, wenn die Unterbringung lediglich altersbedingte Gründe hätte. Ob dies denn nicht vielleicht bei Lina Peukert zutreffen würde. Sie wäre doch schließlich schon 50 Jahre alt. Diesen vermutlich gutgemeinten Wink mit dem Zaunpfahl griff Weinsberg allerdings nicht auf. Der dortige Obermedizinalrat bescheinigte nach der Ludwigsburger Anfrage, dass ihre Geisteskrankheit keineswegs als Alterserscheinung aufzufassen wäre und zudem mit dauernder Anstaltspflege zu rechnen sei.

Der Ludwigsburger Oberbürgermeister Karl Frank beantragte nun am 29. September 1937 die Ausweisung aus Deutschland von Lina Peukert beim Landrat. Dieser widersetzte sich der Ausweisung, auch wenn diese seiner Ansicht nach formell richtig wäre. Er argumentierte in einem Schreiben an den Oberbürgermeister vom 2. November 1937, dass Lina Peukert „blutmäßig Deutsche“ sei. Nur durch eine unglückliche Regelung im Friedensvertrag von Trianon sei sie „Tschechin“ geworden. Seiner Meinung nach müsste bei einer Deutschstämmigen die hilfsbedürftig wird, der Gedanke der Volksgemeinschaft Gestalt gewinnen. Die Verpflichtung Volksdeutscher fremder Staatsangehörigkeit wäre doch als selbstverständlich gesetzt. Umgekehrt sei seiner Meinung nach dann aber die Volksgemeinschaft gegenüber „in Not geratenen Gliedern“ auch anzuerkennen. Erst recht im Falle von Lina Peukert. Sie hätte sich doch auch schon 1928 scheiden lassen. Offensichtlich hatte der Landrat hier moralisch und ideologisch etwas andere Ansichten als der nationalsozialistische Staat. Dieser wollte ja alles „Schwache“ und „Kranke“ zum Wohle des „Deutschen Volkskörper“ ausmerzen. Dieser ideologische Wahnsinn ermöglichte ja Grafeneck 1940.

Zwei Jahre vor der von Karl Frank versuchten Ausweisung Lina Peukerts, 1935, kam die Anfrage vom Oberamtsarzt aus Ludwigsburg nach Weinsberg, ob man die damals 48 jährige Lina Peukert nicht doch auch noch zwangssterilisieren müsste. Die Nazis wollten bei ihrem Terror nach Innen doch möglichst gründlich sein und offensichtlich gab es hierfür entsprechend willige Beamte. Weinsberg bescheinigte hier aber zugunsten von Lina Peukert.

Zudem bereite der Tochter Emilie Peukert 1935 ein zu erwartendes neues Erbtauglichkeitsgesetz Sorgen. Die Fülle an menschenverachtenden Verordnungen und Gesetze, welche die Nazis immer schneller voran trieben, waren nicht so leicht zu durchschauen und zu verstehen. Sie hatte Angst, dass sie unter dieses bald zu erwartende Gesetz falle. Kurz vor dem zu erwarteten Herauskommen eines solchen Gesetzes, wendete sie sich mit einem Brief am 4. November 1935 an einen Weinsberger Arzt. Dieser antwortete ihr verständnisvoll, dass das Gesetz wohl keine Auswirkungen auf sie haben werde. Seiner Ansicht nach werde dies nicht für Töchter von Betroffenen gelten. Zudem sei die Mutter ja eigentlich nicht erbkrank. Es gäbe andere Faktoren für den Ausbruch der psychischen Erkrankung der Mutter und nach einer wissenschaftlichen Statistik seien nur 0,8 – 1 Prozent der Kinder von schizophren Erkrankten ebenfalls von dieser Krankheit betroffen. Es gab offensichtlich Ärzte in Weinsberg, die sich nicht von der Ideologie der Nazis vollständig vereinnahmen ließen. Wie die Geschichte leider in zig Fällen aber zeigte, ließen und lassen sich Nazis leider meistens nicht mit Argumenten und Fakten überzeugen.

Am 2. Januar 1939 werden die älteste Tochter Lina Glasbrenner und das Städtische Fürsorgeamt Ludwigsburg informiert, dass auf Veranlassung des Innenministeriums Lina Peukert in die Staatliche Heilanstalt Zwiefalten versetzt werden sollte. Das Schreiben wurde an die Frankfurter Adresse von Lina Glasbrenner versendet. Die Familie Glasbrenner ist wohl schon ca. 1937 nach Kiel umgezogen. Dem Fürsorgeamt Ludwigsburg war aber auch dieser Umzug aber erst Mitte 1939 bekannt. Es wollte überprüfen, ob Lina Glasbrenner vielleicht nicht inzwischen für ihre Mutter aufkommen müsste und machte sie für das Ausfüllen eines Fragebogens in der Lange Straße 36 im Kieler Stadtteil Friedrichtsort ausfindig.

Eine Begründung für die Versetzung von Lina Peukert nach Zwiefalten konnte ich nicht finden. Auch kein Hinweis, dass diese Entscheidung Weinsberg voran getrieben hätte. Am 5. Januar 1939 wird sie von der Oberpflegerin Schauwecker und 2 zusätzlich begleiteten Pflegerinnen dorthin verbracht und eingewiesen. Dort war sie dann allerdings nicht sehr lange. Bereits am 8. September 1939 wurde Lina Peukert aus platztechnischen Gründen in die Heilanstalt Schussenried verlegt.

Am 29. Oktober 1940 muss Lina Peukert in einen der sogenannten grauen Busse nach Grafeneck steigen. Selbst die Scheiben der Busse waren grau gestrichen. Niemand sollte auf der Fahrt hinein oder hinaus schauen können.

Lina Peukert wurde in Grafeneck in einem umgebauten Geräteschuppen ermordet. Insgesamt wurden 317 Menschen aus Bad Schussenried zwischen dem 7. Juni und dem 1. November 1940 in insgesamt 9 Fahrten nach Grafeneck in den Tod deportiert. Nach ihrer Ankunft dort musste sie sich wie die anderen Opfer ausziehen. Alle wurden dann ärztlich begutachtet. Dies hatte für die Nazis den Zweck, hinterher eine fiktive Todesursache für die Todesurkunde erstellen zu können. Lina Peukert wurde dabei auch wie alle anderen von den Ärzten zur Beruhigung mit Morphium gespritzt. Unter dem Vorwand des Duschens wurde Lina dann im Vergasungsraum ermordet. Das Vergasen der Opfer dauerte 20 Minuten und war für sie wie für alle Opfer ein qualvoller Kampf mit dem Tod. Die Leichen wurden anschließend in zwei Verbrennungsöfen verbrannt.

Die Nazis versuchten ihre Ermordungen im Namen der „Euthanasie“ zu verschleiern. Sie fälschten Todesursache, Todesdatum und Todesort. Das Fürsorgeamt Ludwigsburg wusste offensichtlich nicht offiziell vom Tode Lina Peukert. Mit Schreiben vom 10. Februar 1941 erkundigte sich man in Grafeneck nach dem Verbleib von ihr. Ob sie den seit dem 29. Oktober 1940 immer noch in Grafeneck wäre. Antwort bekam dann Ludwigsburg nicht von Grafeneck, sondern von der offiziell betitelten Landesanstalt Hartheim bei Linz. Diese Tötungsanstalt war im Gegensatz zu Grafeneck noch 1941 „in Betrieb“. Während in Grafeneck nach über 10 000 Opfern im Dezember 1940 die Ermordungen eingestellt wurden, lief die Gaskammer in Hartheim noch bis zum 1. September 1941 auf Hochtouren. In 16 Monaten wurden dort 18 269 Menschen in der Gaskammer getötet. Lina Peukert starb angeblich dort nach Mitteilung vom 17. Februar 1941 der „Landesanstalt Hartheim“ an das Fürsorgeamt Ludwigsburg „am 11. November 1940 infolge akuten Darmverschluss und Bauchfellentzündung“.

Marc Haiber