Mitmachen ist einfach: Zeige den Menschen dieser Stadt mit etwas Putzmittel (Vorschlagsliste kommt von uns) und ein bisschen Wasser, dass die Opfer der Nazi-Verbrechen nicht vergessen sind. Gut geputzte Stolpersteine zeigen seit bald 20 Jahren in Ludwigsburg: Niemand ist vergessen.
Mit deiner Beteiligung an der Putz-Aktion unterstützt du das einzigartige Stolpersteine-Projekt mit seinen weit mehr als 100.000 kleinen Denkmalen überall dort, wo die Nazis Menschen verfolgten. Du trägst dazu bei, dass die Menschen auch in Ludwigsburg mit wachen Augen durch die Tage gehen: Wo immer Positionen vertreten werden, die unheilvoll an die NS-Ideologie erinnern, sind die bescheidenen Messingplatten ein Mahnmal im Boden: Sei wachsam, verbünde dich mit anderen aufrechten Menschen, stehe ein für Menschenrechte, Demokratie und Rechtsstaatlichkeit.
Damit die ganze Aktion gut ablaufen kann, melde dich bitte per E-Mail an. Lass uns gerne wissen, welcher Bereich in Ludwigsburg für dich besonders günstig wäre, um einen oder mehrere Stolpersteine zu putzen. Du bekommst dann Infos zugeschickt, welche Steine auf deine Hilfe warten.
Das Haus, in dem Sofie Sauter wohnte – ein Bild von ihr fanden wir bisher nicht.
Sofie Sautter, geborene Rex, wurde am 6. April 1884 in Ulm geboren. Ihr Vater war dort Bierbrauer und betrieb eine Gastwirtschaft. 1902 zog die Familie in den heutigen Kreis Ludwigsburg, nach Bietigheim. Dort betrieb der Vater wieder ein Gasthaus.
1909 heiratete Sofie den Stuttgarter Kaufmann Paul Friedrich Schieler (oder Schäler). Diese Ehe wurde später geschieden, aus ihr ging eine Tochter hervor. Sofie heiratete den Kaufmann Robert Sautter, mit dem sie zwei Söhne hatte. Über das weitere Schicksal der drei Kinder ist (bisher) nichts Genaueres bekannt.
Die finanzielle Situation der Familie Sautter war in den 1920ern sehr angespannt, sodass mehrmals das Fürsorgeamt aushelfen musste. Auch wurden die beiden Söhne Gustav (?) und Fritz in städtische Obhut genommen.
Schon in den frühen 1920er-Jahren war Sofie Sautter in verschiedenen Sanatorien zur „Kur“. Die vorliegenden Akten zeigen, dass sie sich wegen „Geisteskrankheit“ mehrfach in ärztlicher Behandlung befand. Einer der 1926 behandelnden Ärzte war Dr. Walter Pintus aus der Mathildenstraße, der 1938 wegen seiner jüdischen Herkunft Opfer des Nazi-Terrors wurde.
Zunächst durchlief sie mehrere Aufenthalte in „Heilanstalten“. Ab 1928 befand sich Sofie Sautter den Unterlagen zufolge dauerhaft in der Heilanstalt Weinsberg.
Die letzte von ihr bekannte Adresse, in der sie freiwillig wohnte, ist die Solitudestraße 41 in Ludwigsburg.
Am 4. Juni 1940 wurde Sofie Sautter, wie auch ihre entfernte Nachbarin Elise Heinzmann, von der Heilanstalt Weinsberg nach Grafeneck nahe Reutlingen gebracht, wo sie beide gemeinsam mit anderen ermordet wurden.
Ein Blick in die Solitudestraße von 1932 und von 2022 zeigt, wie sehr sich das Umfeld verändert hat, in dem Elise Heinzmann gelebt hat. Die verbrecherische Zerstörung der Synagoge durch Ludwigsburger Nazis war gesellschaftlich und politisch der dramatischste Eingriff.
Über Elise Heinzmann hat unsere Suche lediglich einige Fakten erbracht, wie sie eben in Akten und amtlichen Verzeichnissen notiert werden: Sie kam am 19. März 1883 in Esslingen zur Welt. Sie war ehelich geboren, deutsche Staatsbürgerin, evangelisch, ledig und von Beruf Verkäuferin.
Im Ludwigsburger Wohnungsbuch ist festgehalten, dass sie von 1920 bis 1932 in der Solitudestraße 22 wohnte und in der Bäckerei Bach, die sich im selben Haus befand, beschäftigt war.
Die Akten des Fürsorgeamts Ludwigsburg bestätigen dies: „Seit 1914 in L’burg wohnhaft. Bis 1. Juli ’32 bei Bäcker Bach beschäftigt. Dann 1. Juli bis Ende August ’32 (angeblich besuchsweise) bei der Tante Wilhelmine Nord in Esslingen aufgehalten. Seither im Bezirkskrankenhaus Ludwigsburg.“
Die gleiche Akte enthält den Vermerk: „Einweisung in das Versorgungsheim L’burg 8. II. ’32.“
Die Aufnahme in Weinsberg war am 12. Juni 1935. Die Diagnose lautete: Parkinsonismus. Elise Heinzmann wog 57 Kilogramm, war 1,57 Meter groß, hatte blaue Augen und dunkelblondes Haar. Ihre Hautfarbe war frisch. Sie zeigte keine Degenerationszeichen.
In der Versorgungsakte ist unter der Rubrik ‚Austritt’ vermerkt: „4. 6. ’40 verlegt in eine andere Anstalt“. Diese Formulierung ist bekanntlich eine tausendfache Lüge in den Akten Nazi-Deutschlands. Die Gedenkstätte Grafeneck bestätigt, dass Elise Heinzmann an diesem Tag in der Tötungsanstalt Grafeneck auf der Schwäbischen Alb ermordet wurde.
Ein Effektenverzeichnis hält ihre Habe fest: Es ist dies – außer Kleidung – Gesangbuch, Nagelschere, Haarbürste, Taschentuchbehälter, Brille mit Etui, Zwicker, zwei Gebissplatten. Dies wurde an ihren Bruder in Esslingen geschickt, im Stadtarchiv Esslingen sind keine weiteren Akten erhalten.
Im Staatsarchiv Ludwigsburg findet man keine Anträge auf Wiedergutmachung und keine andere Spur in anderen Beständen. Auch das Bundesarchiv hat keine Krankenakten. Ihr letzter freiwillig gewählter Wohnort war die Solitudestraße 22. Über den Menschen Elise Heinzmann wissen wir eigentlich nichts.
Christian Rehmenklau
Eine Aufnahme des Hauses Solitudstraße 22 aus den 1970er-Jahren. Die ehemalige Bäckerei Bach lässt sich noch erahnen.
Ernst, Ruth und Stefan Wertheimer · Mathildenstraße 8
Eine dramatische Familiengeschichte: Ernst und Ruth Wertheimer, beide jüdisch, beide in Straßburg geboren und in Ludwigsburg sesshaft und erfolgreich geworden, flohen 1938 vor der immer bedrohlicheren Nazi-Verfolgung mit ihrem dreijährigen Sohn Stefan in die Schweiz und schließlich in die USA. Der meiste Besitz war an das Terrorsystem verloren.
Ernst Wertheimer war seinem Vater Simon als einer von zwei Geschäftsführern der „Karl Weis & Co“-Metallwarenfabrik nachgefolgt, sein Partner war sein Vetter Kurt, der Sohn von Karl Weis. Die Väter hatten das Unternehmen 1903 in der Alleenstraße 46 gegründet (siehe Bericht nebenan). Simon Wertheimer war 1930, ein Jahr vor seinem Tod, zum Vorsteher der israelitischen Gemeinde Ludwigsburg gewählt worden.
Aus Aufschrieben zur Familiengeschichte und aus Akten im Ludwigsburger Stadtarchiv, im Staatsarchiv Ludwigsburg und nicht zuletzt aus rund 3.000 Seiten Rechtsanwalts-Unterlagen, die im digitalen Archiv des Leo-Baeck-Instituts erhalten sind, lässt sich einiges vom Arbeiten und Leben dieser Ludwigsburger Familie nachvollziehen.
In den USA versuchte Ernst Wertheimer eine neue Unternehmer-Laufbahn: Nach Beratung durch eine Organisation für jüdische Einwanderer betrieb er in New Jersey eine Geflügelfarm. Das Unternehmen hatte keinen dauerhaften Erfolg, womöglich auch wegen der bereits früh angeschlagenen Gesundheit des früheren Drahtwaren-Fabrikanten. Er wurde zuletzt Vertreter für die Produkte seiner früheren Branche, besonders für Vogelkäfige aus deutscher Produktion.
Offensichtlich verbrauchte Ernst Wertheimer einen erheblichen Teil seiner Kraft für die rechtlichen Auseinandersetzungen zur Entschädigung für geraubtes Eigentum – für die Firma, für das Wohnhaus Mathildenstraße 8, für verschollenes Umzugsgut, für Eigentum von ermordeten Angehörigen. Ernst Wertheimer starb 1961, seine Frau Ruth 2008. Ihr Sohn Stefan / Stephen gab im Alter von 87 Jahren von Boca Raton (Florida) aus die Anregung, Stolpersteine vor der verlorenen Heimat seiner Eltern zu verlegen,
Karl Theurer wurde im Alter von 39 Jahren ermordet. Er war in Ludwigsburg aufgewachsen, hatte hier das Gymnasium und die Handels- und Gewerbeschule besucht und war Kaufmann von Beruf geworden. Karl Theurer kam am 17. März 1901 in Künzelsau zur Welt. Er war das erste Kind aus der zweiten Ehe Ernst Theurers mit Emma Theurer geb. Schwab. Aus der ersten Ehe seines Vaters stammten drei ältere Geschwister, zwei Brüder und eine Schwester. 1902 zog die Familie nach Ludwigsburg, wo Ernst Theurer eine Stelle als Veterinärrat antrat. Durch die Geburt der zwei jüngeren Schwestern von Karl Theurer hatte sich die Familie noch einmal vergrößert und wohnte ab 1904 in der Wernerstrasse 17. Karl Theurer war Mitte zwanzig, als er psychisch erkrankte. Er wurde zur Untersuchung in die Nervenklinik in Tübingen aufgenommen und nach dreimonatigem Aufenthalt mit der Diagnose „Depression, Debilität“ entlassen. Es folgten lange Aufenthalte im Ludwigsburger Krankenhaus. Aufgrund mehrfacher „Suizidabsichten und Suizidversuche“ und der „jetzt bestehenden Geistesstörung“, wie der Arzt aus Ludwigsburg sich ausdrückte, wurde Karl Theurer im September 1930 in die Heilanstalt in Weinsberg eingewiesen. Der dortige Arzt diagnostizierte Schizophrenie. Karl Theurer wurde als „pflegebedürftig“ aufgenommen.Zu Beginn seines Aufenthalts besuchte ihn seine Schwester. Sie berichtete von Karl Theurers Wunsch, „man solle ihn hier doch gesund machen, damit er wieder arbeiten könne“. Sein Wunsch ging nicht in Erfüllung. Zehn Jahre, von August 1930 bis September 1940, blieb Karl Theurer als „vorerst anstaltsbedürftig“ Patient in Weinsberg. Ärzte der „Reichsarbeitsgemeinschaft Heil- und Pflegeanstalten“ mit Sitz in der Tiergartenstrasse 4 in Berlin entschieden anhand von Patientenlisten über das Leben behinderter und psychisch kranker Menschen. Für sie galt das Leben von Karl Theurer und anderen Patienten, die am 19. August 1940 von Weinsberg in eine angeblich andere Anstalt „verlegt“ wurden, als „nicht lebenswert“. Alle wurden nach Grafeneck gebracht und dort am Tag ihrer Ankunft durch Giftgas ermordet. Zur Verschleierung der Krankenmorde erhielten die Angehörigen gefälschte Angaben zur Todesursache, zum Todestag und Todesort. So erhielt Familie Theurer die falsche Nachricht, dass Karl Theurer am 12. September 1940 in Pirna/Sonnenstein verstorben sei.
Am 5. Mai, dem Europäischen Aktions- und Protesttag der Menschen mit Behinderung, sprach Prof. Dr. J. Thomas Hörnig unter dem Titel „NS-Krankenmorde – was wusste die Bevölkerung darüber?“ im Veranstaltungsraum „Markt 8“. Die Veranstaltung der Ludwigsburger Stolperstein-Initiative war mit rund 50 Interessierten sehr gut besucht.
Ausgeschlossen aus der „Volksgemeinschaft“
Hörnig führte sein Publikum mit profundem Wissen, anschaulich und engagiert durch das komplexe und erschütternde Thema: In den Jahren 1940 und 1941 wurden im Deutschen Reich mehr als 70.000 Menschen aus Heil- und Pflegeanstalten in sechs Tötungseinrichtungen ermordet. Die mörderische Radikalität der NS-Diktatur knüpfte an vielem an, was zuvor „rassen- und sozialhygienisch“ gedacht worden war, teilweise auch in der Inneren Mission.
Dabei ging es um Fragen nach dem Bild und dem Wert von Menschen in Medizin, Psychiatrie, Sozialpolitik und Theologie, die als „unerwünscht“ eingestuft wurden. Die Grausamkeit des Systems überstieg alle bekannten Vorstellungen. In makabrer Weise rechnete Adolf Hitler vor, dass bei einer jährlichen Geburtenrate von einer Million Kindern im Gegenzug der Mord an 800.000 „unerwünschten“ Menschen ein Gewinn, ja eine Erlösung wäre.
Das Mordprogramm war bekannt
Auch wenn die massenhaften staatlich angeordneten Morde an Menschen mit Behinderungen oder gesundheitlichen Einschränkungen teilweise vertuscht werden sollten, wussten nicht nur Beschäftigte in Kliniken und die Familien der Betroffenen Bescheid – wer es wissen wollte, konnte diese Morde wahrnehmen. Hörnig beschrieb auch die teils überaus zögerlichen Reaktionen von Vertretern der Kirchen und die Komplizenschaft von Ärztinnen und Ärzten.
Für die Ludwigsburger Stolperstein-Initiative betonte Jochen Faber, wie bedrückend die Informationen über das Geschehen speziell vor dem Hintergrund seien, dass prominente Politiker der AfD aktuell beispielsweise die Aussonderung von Kindern mit Behinderungen aus Schulklassen fordern.
Die Stolperstein-Initiative Ludwigsburg beteiligt sich mit vielen anderen an den Ludwigsburger Wochen gegen Rassismus.
Wir waren am Freitag, 21. März, beim gemeinsamen „Markt der Möglichkeiten“ auf dem Marktplatz präsent und boten mit erfreulicher Resonanz Informationen über unsere Arbeit, Kontakte für Menschen mit Beteiligungs-Interesse und einen Büchertisch an.
Einen Stadtrundgang zu „Opfern des Rassenwahns“ gab wir am Samstag, 22. März. Start war vor der Musikhalle, einem Ort rassistischer Reden in den 1930er-Jahren. Wir stellten verschiedene Biografien von Menschen aus Ludwigsburg vor, die dem Terror der Nazis zum Opfer fielen – sie haben respektvolle Erinnerung verdient. Die Stolpersteine vor den Orten, an denen sie zuhause waren, sind wichtige Mahnmale, um stets das gesellschaftliche Geschehen zu prüfen und das eigene Verhalten daran auszurichten.
Walter Mugler von der Ludwigsburger Stolperstein-Initiative hielt einen Beitrag zu den Internationalen Wochen gegen Rassismus in Ludwigsburg.
Es ist schlimm, woran der 27. Januar erinnert: Die Menschen, die die Nazi-Diktatur betrieben, ermordeten rund zwölf Millionen andere Menschen. Und es ist schlimm, dass die Opfer und ihre Geschichten aktuell von vielen missachtet werden. Die Opfer der Nazis sind zwölf Millionen Wahlbeobachter am 23. Februar.
Gedenkminute am Mahnmal und Gedenkfeier · mit einem Grußwort von Bürgermeister Jens Hübner und einem Vortrag des AK Mahnmal-Mitglieds und Archivar im Staatsarchiv Ludwigsburg Christian Hofmann über neue Forschungsergebnisse, wonach die Zahl der Ermordeten aus Markgröningen noch höher einzuschätzen ist. Zudem gibt es musikalische Beiträge.
Montag, 27. Januar 2025 · 19 Uhr · am Mahnmal bei der Habila, Asperger Str. 51, 71706 Markgröningen
Das Mahnmal für 120 ermordete Menschen aus der damaligen Landesfürsorgeanstalt Markgröningen
Montag, 13. Januar Montag, 3. Februar Montag, 3. März Montag, 7. April Montag, 12. Mai Montag, 2. Juni Montag, 7. Juli Montag, 8. September Montag, 6. Oktober Montag, 3, November Montag, 1. Dezember
Alle Treffen beginnen um 19:30 Uhr im Besprechungsraum von INFO & IDEE, Schillerstraße 13/2, 71638 Ludwigsburg.