Der Mord an der Verkäuferin Elise Heinzmann

Solitudestraße 22

Ein Blick in die Solitudestraße von 1932 und von 2022 zeigt, wie sehr sich das Umfeld verändert hat, in dem Elise Heinzmann gelebt hat. Die verbrecherische Zerstörung der Synagoge durch Ludwigsburger Nazis war gesellschaftlich und politisch der dramatischste Eingriff.

Über Elise Heinzmann hat unsere Suche lediglich einige Fakten erbracht, wie sie eben in Akten und amtlichen Verzeichnissen notiert werden: Sie kam am 19. März 1883 in Esslingen zur Welt. Sie war ehelich geboren, deutsche Staatsbürgerin, evangelisch, ledig und von Beruf Verkäuferin.

Im Ludwigsburger Wohnungsbuch ist festgehalten, dass sie von 1920 bis 1932 in der Solitudestraße 22 wohnte und in der Bäckerei Bach, die sich im selben Haus befand, beschäftigt war.

Die Akten des Fürsorgeamts Ludwigsburg bestätigen dies: „Seit 1914 in L’burg wohnhaft. Bis 1. Juli ’32 bei Bäcker Bach beschäftigt. Dann 1. Juli bis Ende August ’32 (angeblich besuchsweise) bei der Tante Wilhelmine Nord in Esslingen aufgehalten. Seither im Bezirkskrankenhaus Ludwigsburg.“

Die gleiche Akte enthält den Vermerk: „Einweisung in das Versorgungsheim L’burg 8. II. ’32.“

Die Aufnahme in Weinsberg war am 12. Juni 1935. Die Diagnose lautete: Parkinsonismus. Elise Heinzmann wog 57 Kilogramm, war 1,57 Meter groß, hatte blaue Augen und dunkelblondes Haar. Ihre Hautfarbe war frisch. Sie zeigte keine Degenerationszeichen. 

In der Versorgungsakte ist unter der Rubrik ‚Austritt’ vermerkt: „4. 6. ’40 verlegt in eine andere Anstalt“. Diese Formulierung ist bekanntlich eine tausendfache Lüge in den Akten Nazi-Deutschlands. Die Gedenkstätte Grafeneck bestätigt, dass Elise Heinzmann an diesem Tag in der Tötungsanstalt Grafeneck auf der Schwäbischen Alb ermordet wurde.

Ein Effektenverzeichnis hält ihre Habe fest: Es ist dies – außer Kleidung – Gesangbuch, Nagelschere, Haarbürste, Taschentuchbehälter, Brille mit Etui, Zwicker, zwei Gebissplatten. Dies wurde an ihren Bruder in Esslingen geschickt, im Stadtarchiv Esslingen sind keine weiteren Akten erhalten.

Im Staatsarchiv Ludwigsburg findet man keine Anträge auf Wiedergutmachung und keine andere Spur in anderen Beständen. Auch das Bundesarchiv hat keine Krankenakten. Ihr letzter freiwillig gewählter Wohnort war die Solitudestraße 22. Über den Menschen Elise Heinzmann wissen wir eigentlich nichts. 

Christian Rehmenklau

Eine Aufnahme des Hauses Solitudstraße 22 aus den 1970er-Jahren. Die ehemalige Bäckerei Bach lässt sich noch erahnen.