Aus der Heimat vertrieben und ermordet
Seestraße 49
Bereits seit 2011 lag der Stolperstein zur Erinnerung an Fanny Kusiel vor dem früheren Pferdehändler-Haus in der Seestraße 49. Dass nun ein neues Exemplar verlegt werden muss, liegt an Bauarbeiten, bei denen der originale Stein beschädigt worden war. Die Geschichte der Familie Kusiel ist also bereits in den beiden Broschüren „Zu Besuch bei verfolgten Nachbarn“ und auf www.stolpersteine-ludwigsburg.de dokumentiert.
Salomon und Fanny Kusiel verließen ihr Zuhause und ihre Heimat in der Not, die das Nazi-Regime einer jüdischen Familie zufügte. Ihr Sohn Siegfried, der bereits früher in die Niederlande ausgewandert war, holte seine Eltern 1939 zu zu sich. Er berichtete zwanzig Jahre später: „Meine Eltern habe ich zu mir kommen lassen, weil ein menschenwürdiges Leben für sie im damaligen Deutschland nicht mehr möglich war.“ Fanny und Salom hätten „alle Möbel hinterlassen müssen und alle Wertgegenstände wie Gold, Silber, Schmuck einliefern müssen“.
„Meine Mutter hat, als sie den Judenstern tragen musste, zuerst bei mir […in] Rotterdam gewohnt und musste im September 1940 die Küststrecke […] verlassen. Ich habe sie darum in Edam untergebracht, von wo aus sie ungefähr im April 1943 deportiert wurde. Nach Angaben des Standesamtes in Edam ist sie in Sobibor in Polen am 14. Mai 1943 ,gestorben‘“.
Ob dieses Datum genau stimmt, ist ungewiss. In einer Akte über die Entschädigung der Kusiel-Kinder für die Ermordung ihrer Eltern heißt es in klassischem Beamten-Deutsch:
„Obengenannte Person gilt als gestorben am 14. Mai 1943 in Sobibor – mit dem Vermerk, dass sich die Feststellung des Todesdatums nicht auf Aussagen von Augenzeugen oder Lagerkommandanten stützt, sondern auf Schlussfolgerungen allgemeiner Art, wozu die Studierung des Schicksals des betreffenden Judentransports beim hiesigen Büro Veranlassung gegeben hat“.
Was für eine Sprache! Im Vergleich hierzu noch ein Zitat aus dem Bericht ihrer Tochter Alice, die in höherem Alter über Fanny Kusiel schrieb:
„Meine Mutter beachtete alle religiösen Regeln, die ihr einleuchteten, sie gaben ihr Kraft in mancher schwierigen Situation. Doch niemals behinderte sie mich in meinen eigenen, liberalen Gedanken.“
Jochen Faber