Rolf Reichert

Brückenstraße 24

Rolf Reichert – ein Junge, der nicht einmal zehn werden durfte

Rolf Reichert wurde am 16. Januar 1931 in Ludwigsburg geboren. Elsa Reichert, Rolfs Mutter, wohnte mit dem kleinen Sohn bei ihrem verwitweten Vater in Neckarweihingen, in der Charlottenstrasse 24, heute Brückenstrasse. Wo die Reicherts lebten, steht heute kein Haus mehr – hier verläuft nun die Zubringerstraße aus Neckarweihungen zur Landesstraße 1100 nach Ludwigsburg beziehungsweise nach Marbach.

Rolf war anderthalb Jahre alt, als er unter Krampfanfällen zu leiden begann. Seine Mutter vermutete eine Impfung als Ursache dafür. In der Folge blieb Rolf in seiner körperlichen und geistigen Entwicklung zurück. Häufig übernahm Elsas Grossmutter die Versorgung des behinderten Kindes, bis es vorübergehend in den Werner’schen Anstalten in Ludwigsburg untergebracht wurde. Im Juli 1936 konnte Rolf in das Gottlob-Weisser-Haus, das Pflegehaus der Evangelischen Diakonissenanstalt in Schwäbisch Hall, aufgenommen werden – mit dem Vermerk „nicht lernfähig“, „schwachsinnig“.

Als das Gottlob-Weisser-Haus im November 1940 durch NS-Behörden beschlagnahmt wurde, musste die Einrichtung innerhalb einer Woche geräumt werden. Zusammen mit über 200 Patienten wurde Rolf in die Heilanstalt Weinsberg eingewiesen, die zu diesem Zeitpunkt für viele Patienten nur „Durchgangsstation“ war. Im Rahmen des Euthanasieprogramms „Aktion T4“ waren seit Januar 1940 Bewohner aus der Heilanstalt in Weinsberg nach Grafeneck verlegt und ermordet worden.

Mit der Angabe: „ungeheilt entlassen“ im Abgangsbuch der Heilanstalt, wurde Rolf Reichert mit weiteren Patienten am 4. Dezember 1940 nach Grafeneck gebracht und dort durch Gas ermordet.

Gudrun Karstedt