Mit neun Jahren ermordet in Grafeneck
Kammererstraße 15
Aus den Akten der Anstalt Weinsberg und der Einwohnerakte der Stadt Ludwigsburg lässt sich Ruth Dieterichs Leben in groben Zügen nachvollziehen:
Am 6. Oktober 1931 wurde sie in Stuttgart geboren und dann evangelisch getauft. Ihre Eltern waren der Gipser Ernst Dieterich aus Oßweil (geboren 1899) und die Hausfrau Helene Dieterich, geborene Schmied (ebenfalls 1899 geboren). 1928 hatten die Eltern geheiratet. Die Einwohnerakten verzeichnen nur ein Kind: Annerose, geboren am 24. Juli 1939 in Stuttgart. Ihre ältere Schwester Ruth ist in den Meldeakten nicht aufgeführt.
Die Akten halten fest, dass Ruth mit sechs Jahren vom Gesundheitsamt Ludwigsburg der Diakonissenanstalt Schwäbisch Hall zugewiesen wurde. Die Diagnose lautete „Idiotie“, es ist vermerkt, dass in der Familie sonst keine Erkrankungen aufgetreten waren.
Ruth hatte mit einem Jahr gehen gelernt, mit 13 Monaten konnte sie einzelne Worte sprechen. Sie erkrankte an Masern und 1932 verbrühte sie sich mit kochendem Wasser am Kopf und zog sich dabei schwere Verletzungen zu. 1938 erkrankte sie an Scharlach. Die Akte vermerkt wörtlich: „Das Kind ist im ganzen gutmütig, muss völlig verpflegt werden.“
Am 20. November 1940 kam Ruth von Schwäbisch Hall in die Heil- und Pflegeanstalt Weinsberg. Dort ist als Datum für den „Austritt“ der 4. Dezember 1940 angegeben – mit dem Vermerk „ungeheilt“. Wohin sie kam, ist den dortigen Akten nicht zu entnehmen, es gibt nur den Eintrag „verlegt“ (zusammen mit 72 anderen Personen).
Der Name von Ruth Helene Berta Dieterich befindet sich im Namensbuch der Gedenkstätte Grafeneck. „Wir gehen davon aus, dass sie in Grafeneck am 4. Dezember 1940 ermordet wurde“, so die aus trauriger Erfahrung resultierende Auskunft der Gedenkstätte an diesem Ort von über 10.000 Krankenmorden.
Christian Rehmenklau
Ruth und ihr Bruder Rolf in der Kammererstraße