Am Freitag, den 17. Mai werden ab 14.00 Uhr an folgenden Orten neue Stolpersteine verlegt: Solitudestraße 5 um 14.00 Uhr, Vorhofstraße 28 um 15.00 Uhr, Brückenstraße 24 um 16.00 Uhr Es wird über das Schicksal der Opfer berichtet, die Veranstaltung wird musikalisch begleitet.
Walter Mugler, Regina Boger, Jochen Faber und Max Bleif (v.l.) engagieren sich in der Initiative Stolpersteine. Foto: Avanti/Ralf Poller
Die Initiative Ludwigsburger Stolpersteine recherchiert die Lebensgeschichte von Nazi-Opfern. In Murr stellten die Aktivisten ihre Arbeit vor. Cornelia Ohst
Wer schon einmal über den Begriff „Stolpersteine“ gestolpert ist und gern mehr darüber gewusst hätte, der hatte am Donnerstag die Gelegenheit dazu. In der Murrer Ortsbücherei hat sich die Ludwigburger Initiative vorgestellt. Schon seit Längerem beschäftigte die Büchereileiterin Ursula Kindermann sich mit dem Gedanken, die Initiative einzuladen. Den 9. November hielt Kindermann „für einen passenden Termin, um sich auch die Geschehnisse von vor 85 Jahren ins Gedächtnis zurückzurufen“. Bei der Terminvereinbarung im März ahnte sie jedoch nicht, welche Brisanz das Vortragsthema ein gutes halbes Jahr später haben würde. „Heute ist es umso wichtiger“, beurteilt Kindermann die aktuelle Lage und wünscht sich „weitaus mehr couragierte Menschen, die Stellung gegen Menschenhass beziehen“.
Regina Boger, Jochen Faber, Max Bleif und Walter Mugler sind Zeitgenossen, die das konkret tun. Sie engagieren sich seit knapp 15 Jahren im bürgerschaftlichen Projekt für die Initiative Stolpersteine. Boger, Faber und Mugler sprachen am „Schicksalstag der Deutschen, der so viele außerordentliche Ereignisse vereint“, vor einem interessierten Auditorium. Denn bevor ein glänzender Messing-Stolperstein, der an einen von den Nazis ermordeten Menschen erinnert, im Boden verlegt wird, braucht es viel Zeit und gründliche Recherche, um den Werdegang der jeweiligen Person bis hin zu ihrer Ermordung nachweisen zu können.
Hinter den Stolpersteinen steckt ein großer Aufwand
Die Recherche erfolgt in der Hauptsache über Aktenstudien aus Archiven, Informationen aus Sachbüchern oder auch über Berichte von Zeitzeugen. Und es braucht tatsächlich eine Art Baugenehmigung. Denn von behördlicher Seite aus wird der Stolperstein, als Bauwerk gewertet. Doch in Ludwigsburg werde der Umgang mit den Steinen, die übrigens als „Verneigung vor dem Toten“ zu verstehen sind, weil man nur in gebückter Haltung die Details lesen kann, recht unkompliziert gehandhabt, wie das Publikum erfuhr. Zudem wurden die Gäste darüber informiert, dass von aktuell 96 im Ludwigsburger Bezirk verlegten Steinen, die meisten nichtjüdische Opfer gewesen seien. „Der größte Anteil sind die Krankenmorde“, so Jochen Faber, der wie seine Mitstreiter auch, kein gelernter Historiker, aber dennoch bestrebt ist, über die grausamen Vorkommnisse „nicht einfach nur den Deckel drüber zu legen“, sondern stattdessen an die Ermordeten zu erinnern.
Vater der Stolpersteine ist der Kölner Künstler Gunter Demnig, der mit seinem Kunstprojekt an die Opfer der NS-Zeit erinnert, indem er vor ihrem letzten selbstgewählten Wohnort Gedenktafeln aus Messing ins Trottoir einlässt. Inzwischen liegen Stolpersteine in 1265 Kommunen Deutschlands und in 21 Ländern Europas.
Wie berührend die Einzelschicksale sind, das verdeutlichten die Sprecher mit ausgewählten Kurzbiografien von politisch Verfolgten, Juden, Widerstandskämpfern sowie gesundheitlich eingeschränkten Menschen. Regina Boger stellte dabei etwa Hans Alfred Groß vor, der in direkter Nachbarschaft von ihr lebte und der 1945 im Alter von 23 Jahren ermordet worden war. Die blind geborene Anita Henk war noch nicht einmal vier Jahre jung, als sie von den Nazis getötet wurde.
In Ludwigsburg saßen auch Wehrmachtsgerichte, die Todesurteile fällten
Auch einen „blinden Fleck in der Stadtgeschichte“ wussten die Stolpersteinakteure zu beleuchten: So war Ludwigsburg nicht nur Garnisonsstadt, sondern auch Sitz von Wehrmachtsgerichten und Exekutionen (Schießtal und Osterholz), bei denen 68 Menschen hingerichtet wurden.
Am Samstag, 8. Juli, können Interessierte per Fahrrad den Ort des künftigen MahnDenkMals im Ludwigsburger Schießtal kennenlernen. Um 14:30 Uhr ist Abfahrt beim „Brückenhaus“ (Marbacher Straße 220). Beim ersten Zwischenstopp gibt es Informationen über den Neckarweihimger Maler und Nazi-Gegner Fritz Ketz einschließlich einer improvisierten Ausstellung mit Reproduktionen einiger seiner kritischen Werke, präsentiert von Roland Schmierer vom Bürgerverein Neckarweihingen. Bei einem zweiten Halt gibt es ein Grußwort der „Deutschen Friedensgesellschaft / Vereinigte Kriegsdienstgegner“ (DFG/VK) von Wolfram Scheffbuch sowie „Die Legende vom toten Soldaten“ von Bertolt Brecht, vorgetragen von Christian Buschhaus. Gegen 16 Uhr stellt Walter Mugler von der Ludwigsburger Stolperstein-Initiative das künftige MahnDenkMal für die Männer vor, die auf Befehl der NS-Militärjustiz im Ludwigsburger Neckartal ermordet wurden. Wer nicht mit den Rad kommen kann oder möchte, kann auch ins Remsecker Industriegebiet Schießtal fahren, dort parken und die wenigen Meter zum künftigen MahnDenkMal zu Fuß gehen.
am Mahnmal bei der Habila, Asperger Str. 51, 71706 Markgröningen,
für die 120 ermordeten Menschen aus der ehemaligen Landesfürsorgeanstalt Markgröningen
Ausstellung der Kunstwerke des 1940 in Grafeneck von den Nationalsozialisten ermordeten Fritz Bächle aus Stuttgart
Das Grußwort spricht Herr Bürgermeister Jens Hübner, mit einem Vortrag der AK Mahnmal Mitglieder Edeltraud Balzer und Rita Diez zum Gedenken an das in Grafeneck ermordete Ehepaar Eugenie und Fritz Bächle, sowie musikalische Beiträge von Niels Noortwijck und Marc Haiber. Weiterhin werden bei der Gedenkfeier die Kunstwerke des Fritz Bächle von seinem Enkel ausgestellt.
Im Jahr 1940 wurden 120 Menschen aus der damaligen Landesfürsorgeanstalt Markgröningen (der heutigen Habila GmbH) nach Grafeneck deportiert und sofort nach Ankunft vergast.
Am 27. Januar 1945 wurde das Vernichtungslager Auschwitz-Birkenau von der Roten Armee befreit.
Seit 1996 ist der 27. Januar deshalb der nationale Gedenktag für die Opfer des Nationalsozialismus. 2005 wurde dieser Tag von den Vereinten Nationen zum internationalen Gedenktag erklärt.
Die 120 Menschen aus Markgröningen waren Opfer der menschenverachtenden Ideologie des Nationalsozialismus. Immer am 27. Januar wird diesen Menschen in Markgröningen bei der Habila GmbH gedacht. Die Erinnerung gilt an diesem Tag ebenso allen Opfern des Nationalsozialismus.
Der AK Mahnmal wird nach den durch die Pandemie bedingten Online-Gedenkfeiern in den letzten Jahren diese nun wieder als Präsenzveranstaltung durchführen. Der AK leistet seit nunmehr über 25 Jahren kontinuierlich Erinnerungsarbeit für die 120 Opfer aus Markgröningen und ist Veranstalter der Gedenkfeier.
Zu Beginn kann nun wieder eine Gedenkminute am Mahnmal stattfinden. Die Ermordung der 120 Menschen aus der damaligen Landesfürsorgeanstalt Markgröningen ist nicht nur Teil der Geschichte der heutigen Habila, sondern auch Teil der Stadtgeschichte Markgröningens. Deshalb spricht stellvertretend hierfür der Bürgermeister, Jens Hübner, bei der anschließenden Gedenkfeier im Mehrzwecksaal der Habila ein Grußwort.
Das Recht auf Menschenwürde und Leben wurde im Nationalsozialismus millionenfach unter anderem Menschen mit Behinderung, psychischen Erkrankungen und Menschen jüdischer Herkunft abgesprochen. Die Nationalsozialisten nahmen den Menschen ihre Namen und gaben ihnen stattdessen Nummern. Das Vergessen der Vernichtung wäre Teil der Vernichtung selbst. Auch deshalb ist es dem AK Mahnmal wichtig, den Opfern ihre Namen zurückzugeben und deren Schicksale sichtbar zu machen.
Stellvertretend für die 10654 in Grafeneck ermordeten Menschen rückt der AK Mahnmal bei der diesjährigen Gedenkfeier die Lebensgeschichten Eugenie und Fritz Bächle in den Fokus. Das Ehepaar aus Stuttgart wurde von der Heilanstalt Weissenau in die Tötungsanstalt Grafeneck deportiert und dort ermordet. Unter der Tarnbezeichnung „Aktion T 4“ wurden ab 1940 mehr als 70000 Menschen mit Behinderungen deutschlandweit ermordet. Die Tötungsanstalt Grafeneck auf der Schwäbischen Alb war die erste von insgesamt sechs Tötungsanstalten.
Die AK Mahnmal Mitglieder Edeltraud Balzer und Rita Diez werden über das Leben der ermordeten Eugenie und Fritz Bächle berichten. Dabei wird auch aufgezeigt, welche Begabungen im Nationalsozialismus Ermordete hatten. Fassungslos macht dabei, wie die NS Ideologie überhaupt Menschen als „lebensunwert“ deklarieren konnte. Fritz Bächle war ein begabter Hobby-Maler. Unter anderem gibt es ein sehr beeindruckendes Kunstwerk von ihm, welches die Finstere Gasse in Markgröningen zeigt. Sein Enkel Reinhard Hintz hat dieses und weitere Kunstwerke seines Großvaters auf Rollups dupliziert und wird sie bei der diesjährigen Gedenkfeier ausstellen. Niels Noortwijck und Marc Haiber haben zudem für die Veranstaltung musikalische Beiträge komponiert und tragen mit diesen zur Gedenkfeier bei. Moderiert wird die Gedenkfeier 2023 von den Arbeitskreis Mahnmal Mitglieder Edeltraud Balzer und Rita Diez.
Virtuell – Online bei youtube.com – der Link zur Gedenkfeier ist demnächst zu finden unter www.habila.de , Donnerstag 27. Januar 2022 19 Uhr Mit einer Begrüßung der Leitung Habila Markgröningen Antje Michaelis, einem Grußwort von Bürgermeister Rudolf Kürner, einem Beitrag von Marc Haiber (AK Mahnmal) zum Leben des von Markgröningen nach Grafeneck deportierten und ermordeten Heinrich Gärtner und musikalischen Beiträgen von Elena Rachelis, Horst Balzer, sowie Niels Noortwijck und Marc Haiber. Moderation von Edeltraud Balzer (AK Mahnmal)